Limenitis - Eisvögel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jeder Entomologe träumt davon einmal den Großen Eisvogel zu Gesicht zu bekommen. Unsere größte Tagfalterart ist infolge des Verschwindens ihrer natürlichen Lebensräume, Pionierbaumgesellschaften mit einem hohen Anteil an Aspen, nahezu ausgestorben. Als Hauptursache für diese Entwicklung ist die geringe wirtschaftliche Wertschätzung, der als Nahrungspflanzen benötigten Weichhölzer durch eine marktgesteuerte Forstwirtschaft zu nennen.

In meinem Untersuchungsgebiet konnte ich bislang nur den kleineren Verwandten Limenitis camilla [RL D V; RL M-V 3] aufspüren. Im Sommer 2010 war der Kleine Eisvogel sporadisch, im Sommer 2011 sogar häufiger im Bereich des Sanitzer Forstweges zu beobachten.

Die Falter, die von Mitte Juni - Mitte August fliegen, hielten sich bevorzugt in mittleren Lagen der Weggehölze auf, um Sonnenlicht aufzunehmen und anfliegende Artgenossen abzupassen.

Nur selten sucht der Kleine Eisvogel Blüten oder den Boden auf, was ein Fotografieren sehr schwierig macht. Hinzu kommt die hohe Fluchtdistanz der Art. Ähnlich wie die Schillerfalter fliegen Kleine Eisvögel, Exkremente, Aas und feuchte Erdstellen an, um hier Mineralsalze aufzunehmen. 

Besonders schön ist die selten gezeigte, feurig orange Unterseite des Falters, die ich leider nur annähernd im Bild einzufangen konnte.

Nach der weitgehenden Zerstörung der Strauchschicht, einschließlich der als Raupennahrungsquelle benötigten Roten Heckenkirsche sowie des Waldgeißblattes (Lonicera xylosteum, L. periclymenum), im Rahmen einer Durchforstungsmaßnahme im Winter 2011, konnte ich im nachfolgenden Sommer keine Kleinen Eisvögel mehr auffinden. In anderen Biotopen kann die Art auf weitere Geißblätter sowie Schneebeeren (L. spec., Symphoricarpos albus) für die Raupenentwicklung ausweichen.

Obwohl die Ausschließlichkeit der Durchforstung als Ursache des Rückgangs nicht hinreichend belegbar ist, gibt es dennoch den Hinweis auf eine sensible Reaktion der Population des Rote Liste 3-Falters im Untersuchungsbereich.

In den kommenden Jahren wird daher verstärkt Augenmerk auf den Verbleib dieses schönen Schmetterlings im Santizer Forst zu legen sein. Zu hoffen bleibt, dass die Population, des in Mecklenburg-Vorpommern in seinem Bestand gefährdeten Falters nicht erloschen ist.

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Im Juli 2013 konnte ich schließlich wieder Kleine Eisvögel am Sanitzer Forstweg beobachten. Inzwischen haben sich die Lonicera-Bestände entlang des Weges erholt, so dass wieder hinreichende Eiablageplätze für die Falter vorhanden sind.

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Einen überraschenden Fund machte ich im Sommer 2014 auf einem nächtlichen Spaziergang in Weimar, als ich an einem Fassadenstrahler einen toten kleinen Eisvogel fand. Ob es sich um ein Verkehrsopfer oder einen durch den Strahler verbrannten Falter handelte, konnte nicht geklärt werden.

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Schon im zweiten Anlauf erfüllte sich mir ein Traum: Vor einem dienstlichen Termin verbrachte ich einige Minuten auf einem Lehrpfad im Zeitzer Forst. Nach dem ich einige Admirale entlang eines breiten Waldweges beobachtete, segelte er plötzlich aus den Wipfeln herab, größer und dunkelbraun - der Große Eisvogel, L. populi [RL D 2; RL M-V 1]. Das Männchen saugte auf dem feuchten Waldweg eifrig Flüssigkeit, um seinen Mineralbedarf zu stillen. Es stieg bei jeder Beunruhigung kurz auf, setzte sich aber stets einige Meter entfernt erneut nieder. Auf den Knien rutschend, kam ich dem Falter schließlich näher und konnte seine blau irisierenden Flügelkannten und die goldene Unterseite betrachten. Schließlich verschwand der Große Eisvogel wieder in den Baumkronen.

Laubmischwälder, wie der Fundort, mit vielen Weichhölzern, insbesondere den als Brutpflanzen benötigten Aspen (Populus termula), sind in Deutschland selten geworden. In einer gänzlich der Ökonomie verschriebenen Forstwirtschaft finden Weichhölzer keinen Platz. Inzwischen findet sich der Große Eisvogel auf der Roten Liste 2. Die Art, die in nur einer Generation von Juni - Juli fliegt, überwintert als Jungraupe in einem Hibernaculum. Unseren größten Tagfalter in natura zu sehen ist ein unvergessliches Erlebnis.

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Am Varner See in Südtirol konnten meine Eltern im Sommer 2014 ebenfalls große Eisvögel beobachten. In ihrem "Hunger" nach Mineralien und Feuchtigkeit setzten sich die Falter auf die Schuhe der Wanderer. Die hier fotografierten Exemplare wiesen einen deutlich intensiveren Blauanteil als die Population des Zeitzer Forstes auf.

Literatur:
Settele, Josef et al.: Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. 2. Aufl. Stuttgart: Ulmer, 2009
Bellmann, Heiko: Der neue Kosmos Schmetterlingsführer - Schmetterlinge, Raupen und Futterpflanzen.2. Aufl. Stuttgart: Kosmos, 2009
Söderström, Bo: Svenska fjärilar - En fälthandbok. 1. Aufl. Stockholm: Bonniers, 2006
Tolman, Tom; Lewington, Richard: Schmetterlinge Europas und Nordwestafrikas. 2. Aufl. Stuttgart: Kosmos, 2012